In Deutschland haben wir Peter Kraus und Ted Herold – und vielleicht Udo Lindenberg. Kein Vergleich. In England haben sie die Rolling Stones… da schon eher. In Frankreich gibt es: Johnny Hallyday. Seit Beginn der 60er Jahre Teil des Lebens und der Musik – der Inbegriff von Rock’n Roll. Jetzt ist sein 50. Album erschienen – und Monsieur Chanson Gerd Heger setzt das Herz kurz aus.
Gitarren, die ein Bluesriff spielen, danach die Stimme von Johnny… sorry, aber da gibt’s nur eins: Gänsehaut. Klingt abgegriffen. Und sicher bin ich kein Westernheld, kein Rocker, kein Auftragskiller – bin ja nur ein kleiner Radiomann. Aber irgendwo, tief im Süden meines Herzens, wie der andere sagen würde, da steckt ein Johnny im Monsieur Chanson. Und das ist nicht mal besonders originell, weil so geht es erheblich vielen Franzosen. Denn Johnny war immer schon da, wird immer da sein – zumindest scheint es so. Ob man ihn im Konzert sieht, auf den Titelseiten der Skandalblätter oder im Fernsehen – Johnny bleibt Johnny.
Dans la peau de Mike Brown
“Manchmal ist es selbst der Nacht peinlich, weiß zu sein
(“nuit blanche” – durchgemachte Nacht),
weiß, wenn der Körper eines Mannes Schwarz zwischen vier Brettern liegt.“
„Parfois même la nuit // s’en voudrait d‘être blanche //
Blanche quand le corps d’un homme gît // Noir entre quatre planches.”
Superlative aufzählen hat bei Johnny keinen Sinn… ich denke, 50.Langspielplatte – heute CD – das steht für sich. Ein Geheimnis dieses 72jährigen Steh-Auf-Mannes ist: er teilt auch seine Schwächen mit seinem Publikum – erzählt davon immer in seinen Liedern. Sogar, dass er ein Leben lebt, das nicht ihres ist:
Une vie à l’envers
“Das Leben der Leute, die mich liebten
wird nie mein Leben gewesen sein
Helikopter, Flugzeuge, Nächte –
ein Leben verkehr herum,
ich lebe auf der anderen Seite.“
„La vie des gens qui m’aimaient // N’aura pas été ma vie //
Les hélicoptères // Les avions les nuits // Une vie à l’envers // A l’envers je vis.
So einen bewundert man, schon allein dafür, dass er immer weiter macht. Immer wieder aufsteht. Ein echter Rocker eben. Ein weiteres Geheimnis von Johnny als Interpret: Er schafft es immer wieder, sich die richtigen Leute von heute zusammen zu holen, die ihm Musik auf den Leib schreiben:
In diesem Fall Yodelice, aktueller Rocker aus Frankreich, für die Texte Leute wie Christophe Miossec (der hat schon öfter mit Johnny gearbeitet) oder – neu – Jeanne Cherhal. Diese Jungspunde, Produzent Olivier Lude – und natürlich der – man muss es nochmal sagen – echt einzigartige Jean-Philippe Smet, der mal von der Straße kam… sie schaffen hier das echteste und entstaubteste Rock’n Roll-Album 2015 – für den Oberrocker Frankreichs –
Wer was von Frankreichs Liebe zur amerikanischen Musik verstehen will, der sollte sich das hier anhören. Dass Lieder über den Mord von Polizisten an Mike Brown in Ferguson/Missouri mit dabei sind, über Flüchtlinge oder den großen Solidaritätsmarsch nach den Attentaten gegen Charlie Hebdo – wir hören das gleich – und dass sie direkt treffen und nie peinlich sind, das ist ein weiteres Geheimnis von Johnny.
Un dimanche de janvier
“Wir marschierten still // Mitten in einer riesigen Menge //
Und der Wind sang an unserer Stelle // Ohne Ende auf dem Platz (…)
Was bleibt von diesem Sonntag im Januar?”
“Là, nous avions marché en silence // Au milieu d’une foule immense //
et le vent à notre place // chantait sans fin sur la place (…)
Que reste-t-il de ce Dimanche de janvier?”
Johnny Hallyday “De l’amour” / Warner Musique France EAN 0825646005451