Die Bündische Jugend wurde nach dem kriegsbedingten Bruch mit dem deutschen Volkslied von einer musikalischen “Liedersammelbewegung” bestimmt, die das bündische Singen mit ausländischer Folklore bereicherte. Auch die Kröhers und Rohland sind leidenschaftliche Liedersammler. Sie haben bei einem Treffen Ostern 1961 die Idee, auf der Waldeck ein internationales Folklorefestival zu organisieren, auf dem ein “weltmusikalischer” Querschnitt präsentiert werden soll . Gleichzeitig erkennen die Organisatoren die Notwendigkeit einer Rückkehr zur eigenen, zur deutschen Folklore. Diese Rückkehr in Abgrenzung zum Missbrauch der Musik im Nationalsozialismus kommt einer “Neuschaffung” der deutschen Folklore gleich; aus diesem Grunde entsteht das geflügelte Wort von der Waldeck als “Bauhaus der Folklore”.
Chanson Folklore International – Festivals
Das erste Waldeck-Festival kommt Pfingsten 1964 als “Chanson Folklore International” zustande. Relativ spät entscheidet die organisierende ABW, außer deutscher Volksmusik internationale Folklore und auch Chanson ins Programm zu nehmen, was nach der damals versuchten Definition eigene von einzelnen gesungene Lieder sein sollten. Die Teilnahme am Festival wird sogar in den folgenden Jahren geradezu davon abhängig gemacht, daß die Sänger auch etwas “Selbst Gestricktes” vortragen können.
Die Suche nach Teilnehmern war zunächst eine Sache des persönlichen Freundeskreises der Organisatoren. Über die organisierenden Studentenkreise wird der linke “pläne”-Verlag angesprochen, in dem Semmer und Süverkrüp bereits einige Lieder veröffentlichten.
Auf diesem ersten Treffen sind es 13 Sänger, die erscheinen; darunter ist Dieter Süverkrüp bereits mit eigenen Liedern vertreten. Das Festival entwickelt sich in den nächsten Jahren explosionsartig. Immer mehr Zuschauer und Sänger strömen um Pfingsten auf die Burgruine. Gleichzeitig werden selbst geschriebene Lieder immer wichtiger und bestimmender. Fast alle der jungen Nachwuchssänger, die auf der Waldeck ihre ersten Auftritte vor großem Publikum haben, werden später bekannte Liedermacher (Reinhard Mey, Walter Mossmann, Franz-Josef Degenhardt, Christof Stählin, Schobert und Black, Rolf Schwendter, Peter Rohland).
Daneben treten bekannte englischsprachige Folksinger auf (Hedy West, Pete Seeger, Colin Wilkie, Shirley Hart, Phil Ochs). Spätere Schlagersänger stellen sich mit internationaler Folklore vor (Ivan Rebroff, Katja Ebstein). Manche Künstler sind aber auch schon vor der Waldecker Zeit einschlägig bekannt (Dieter Süverkrüp, Hanns-Dieter Hüsch).
Außerdem treffen sich auf der Waldeck zahlreiche junge Wissenschaftler, Radiomacher, Plattenproduzenten, Schriftsteller und andere Intellektuelle und geben den Treffen zusammen mit den Musikern durch aktive Diskussionen einen theoretischen Hintergrund (Martin Degenhardt, Reinhard Hippen, Diethard Kerbs, Rolf-Ulrich Kaiser, Bruno Tetzner, u.v.a.).
Ausschnitt eines längeren Textes von Philipp Schmidt-Rhaesa , Teil seiner Examensarbeit zum Thema „Fort- und Weiterbildung bei deutschen Liedermachern“, verfasst 1996. Auch wenn manches bruchstückhaft bleibt, so wird z.B. nur über die westdeutsche Liedermacherszene geschrieben, ist es dennoch ein gelungener Überblick über die Liedermacher-Szene in der BRD von 1945 bis in die 1990er Jahre.