Duisburg. Revierbarde Frank Baier presst drei Jahre nach seinem Liederbuch „Gesänge des Ruhrgebiets 1870-1980“ auf Vinyl – und geht jetzt damit auf Tournee.
Warum der Ruhrgebietsbarde eigentlich zu den vom Aussterben bedrohten Sänger-Arten gehört, ist auch so eine Frage, die viel sagt über die Zeiten, in denen wir leben. Frank Baier jedenfalls ist eine dieser Raritäten und gibt auch mit 72 keine Ruhe. Baier wohnt in einem verwunschenen Häuschen jener Rheinpreußen-Zechensiedlung im linksrheinischen Homberg, die er zusammen mit einer Bürgerinitiative vor dem Abriss bewahrt hat. Hier erzählt Frank Baier Anekdoten wie die von der Ukulele, die jetzt auf Madagaskar „Frankbaier“ heißt, weil er auf einem seiner zahllosen Festival-Gastspiele der führenden madegassischen Folk-Band das Ukulelespielen beibrachte.
Und hier tackert er auch die Hüllen für seine neue Langspielplatte zusammen. Tackert? „Ja, wie damals bei Ton Steine Scherben mit dem ,Warum geht es mir so dreckig’-Album, ich weiß noch, wie der Rio und die anderen da saßen!“ Und eine Langspielplatte? „Ja, Vinyl klingt besser als eine CD, passt auch besser zu meiner Musik!“, sagt Baier. Also gibt es eine A- und eine B-Seite und zwanzig „Gesänge des Ruhrgebiets 1870-1980“, so der Titel der Platte. Nicht auszuschließen, dass es auch mal eine CD-Fassung gibt, aber erst mal sind jetzt die ersten 500 Vinyl-Exemplare fertig. Sammlerstück-Kandidaten.
Frank Baier, der nicht nur Gitarre, Schifferklavier und Ukulele, sondern mit seinem unerschütterlichen Enthusiasmus nötigenfalls auch Nervensäge spielen kann, hat 2012 nach jahrelanger Sammelarbeit (mit Jochen „Liederjan“ Wiegandt) das ziegelsteindicke Liederbuch Ruhr „Glück auf!“ herausgebracht. Die Platte ist eine klingende Kurzfassung, „dat Liederbuch kann ja nich singen“, schmunzelt Baier.
Live-Aufnahme im Evinger Schloss
Sie beginnt, wie es sich bei einem Kumpel-Kind, das im Schatten der Zeche Rosenblumendelle und im Essener Stadtteil Frohnhausen aufwuchs, gehört, mit „Glückauf, der Ruhrkumpel spricht“ – Protestlied eines gefeuerten Bergmanns, der sich an den Zechenbesitzer wendet. Baier hat Ausgrabungen wie „Bergmanns Schunkelwalzer“ auf die Platte genommen, aber auch Texte von Arbeiterdichtern wie Heinrich Kämpchen oder Josef Büscher vertont. Zuweilen, besonders wenn er a cappella singt, ist zu spüren, wie viel Wert Baier darauf legt, dass es „echt“ klingt – schön ist nicht so wichtig. Die Platte umfasst auch Musik seiner Kollegin Fasia Jansen („Bergmann fahr ein“), die Protestliedzeilen aus dem Häuserkampf um die Zechensiedlung („Rheinpreußen ruft Alarm“) und schließlich den „März Rap 1920“, den Frank Baier im Zuge eines Plattenprojekts über die Märzrevolution im Revier mit den „Sons Of Gastarbeita“ und der Bremer Folk-Band „Grenzgänger“ eingespielt hat.
Weil Baiers Beobachtung zufolge „immer mehr Menschen das hören wollen“, was nur noch selten erklingt, hat er im vergangenen Jahr einen fast vierstündigen Liederabend in Dortmund gegeben, im „Evinger Schloss“, einem Überbleibsel der Zeche Minister Stein. Baiers LP, die über www.frank-baier.de bestellt werden kann, bietet Ausschnitte der Live-Aufnahme dieses Abends – ruppig, authentisch, einzig- und unartig.