Der Songwriter- und Musikerwettbewerb Treffen junge Musik-Szene in Berlin

Künstlerische Entwicklung statt Konkurrenz

Workshop mit Dota, Foto: Dave Grossmann
Workshop mit Dota, Foto: Dave Grossmann

Casting, Casting, über alles – in Zeiten, in denen jede Großbäckerei einen medienwirksamen Wettbewerb für künftige Superstars ausruft, kann man diesen Wettbewerb leicht übersehen: den Bundeswettbewerb Treffen junge Musik-Szene . Seit den 80er Jahren wird er im Auftrag der Länder und des Bundes durch die Berliner Festspiele ausgerichtet. Dass er trotz seines bereits über 30jährigen Bestehens ein Nischendasein führt, mag verschiedene Gründe haben. Einer ist sicher, dass er nicht durch einen Sender selbst durchgeführt wird. Der Hauptgrund dürfte jedoch darin liegen, dass sein Konzept nicht zur Highlight-Event-Logik des emotionalen Erregungsfernsehens passt. Denn es gibt beim Treffen junge Musik-Szene am Ende nicht einen Sieger. Es gibt kein Treppchen, auf dem nur einer steht, es gibt keine Heulkrämpfe enttäuschter Verlierer und keine medialen Schlammschlachten. Beim Treffen junge Musik-Szene geht es um etwas, das man nicht medial vermarkten kann, weil es sich nämlich erst mit der Zeit zeigt. Es geht um die Förderung der künstlerischen Substanz, um Impulse und grundlegende Hinweise, die im weiteren künstlerischen Schaffen der Teilnehmer allmählich ihre Wirkung entfalten.

Ein Treffen von Gleichgesinnten

Workshop. Foto: Dave Grossmann
Workshop. Foto: Dave Grossmann

Das TJM, wie es die Insider gerne nennen, heißt zurecht „Treffen“. Im Mittelpunkt steht die Begegnung – mit anderen Musikerinnen und Musikern, mit Dozenten, aber auch die Begegnung mit sich selbst in Form fundierter, sachlicher Kritik. Es geht beim Treffen immer um die Sache, um die Frage, wie man vielleicht noch beim Songschreiben vorgehen könnte, wie man besser komponiert, arrangiert und als Band auf der Bühne agiert. Es gibt am Anfang ein gemeinsames öffentliches Konzert, das per Video am nächsten Tag analysiert wird, es gibt Einzelcoaching in Gesang, Workshops für Songwriting, Arrangements und Zusammenspiel in der Band. Hier werden bisherige Methoden infrage gestellt – nicht die Menschen. Und das eröffnet die Chance, dass sich alle als Gleichgesinnte auf Augenhöhe begegnen können, inklusive der Workshopleiter, auf der unendlichen Suche nach den immer besseren Liedern, der immer besseren musikalischen Performance.

Vom Treffen zum Netzwerk

Die Teilnehmer werden in einem einstufigen Verfahren ermittelt: Sie senden Tonaufnahmen und Texte ein, die von einer siebenköpfigen Jury gesichtet und bewertet wird. Die Jury wählt dann zehn bis zwölf Bands, Duos und Solisten ein. Mit der Einladung endet auch der Wettbewerb, denn dann beginnt das Eigentliche, das sechstägige Treffen im Haus der Berliner Festspiele. Und weil dieses von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern in der Regel als sehr bereichernd empfunden wird, halten sie nicht nur untereinander Kontakt und schaffen so ein eigenes Netz in ganz Deutschland; viele kommen auch Jahr für Jahr wieder als Gäste nach Berlin, nehmen an den abendlichen Sessions oder auch an einzelnen Workshops teil, treffen alte Bekannte und neue Gesichter. Apropos Bekannte: Es ist nicht nur so, dass in der Jury immer wieder sehr bekannte Namen auftauchen. Aus den Reihen der Teilnehmer gingen im Lauf der Jahre immer wieder sehr bekannte Vertreter ihres jeweiligen Fachs hervor, wie Bodo Wartke, Sebastian Krämer und Uta Köbernick im Kabarettbereich oder Phillip Poisel bei den Songwritern. Gerade schickt sich mit Xavier D’arcy und Johannes Stahnecker alias Der Wieland wieder eine Generation an, von sich hören zu machen.

Ausschreibung 2016 startet

Was man braucht, um teilzunehmen, ist ein eigener Song mit eigenem Text und Musik. Das Genre ist völlig frei – Texte treffen Töne hieß der Wettbewerb auch einmal, auch treffend. Mitmachen kann man bis zum Alter von einschließlich 21 Jahren. Im März beginnt der Ausschreibungszeitraum für den Wettbewerb 2016. Wer in die genannten Kategorien passt, tut sich selbst einen großen Gefallen, sich bei diesem außergewöhnlichen Wettbewerb anzumelden, der – im Gegensatz zu vielen anderen – wirklich das Beste für die Teilnehmer im Sinn hat. Anmeldeschluss ist irgendwann im Juli. Und wer vielleicht zu alt dafür ist, der kann den Wettbewerb empfehlen oder sich den Termin des Preisträgerkonzerts merken: Das ist am 10.11.16 ab 19 Uhr auf der Seitenbühne des Hauses der Berliner Festspiele, Schaperstraße 24, Berlin.

Weitere Info und Bewerbungsunterlagen: www.berlinerfestspiele.de.

P.S.: Aus dem gleichen Haus gibt es die ebenfalls wärmstens zu empfehlenden Wettbewerbe Treffen Junger Autoren, Theatertreffen der Jugend sowie seit wenigen Jahren das Tanztreffen der Jugend.

Ulrich Zehfuß
( Der Autor: Ulrich Zehfuß ist Singer-Songwriter, langjähriges Mitglied von Sago, seit vielen Jahren in der Jury des Treffen junge Musik-Szene . Im Februar 2016 erschien sein neues Soloalbum „Dünnes Eis.“ Mehr: www.zehfuss.de)