Es folgen noch zwei Tourneen bzw. Platten mit Albert Mangelsdorff, der für Herrn Lage zwei oder drei Soli irgendwo eingespielt hatte: wodurch wiederum „der überaus clevere Herr Dehm auf die glorreiche Promotions-Idee gekommen war“, Herrn Mangelsdorff mit einer Band namens „Members of Klaus Lage Group“ (wobei nur einer in dieser Band überhaupt noch ein member war) auf Tour bzw. ins Studio zu schicken. Mit deutlich mehr Begeisterung geht Danny mit Bluesleuten wie Sidney Selby (alias Guitar Crusher) auf Tournee durch Polen über die Schweiz bis in die Niederlande, dabei kommt es z. B. auf Festivals zu Sessions mit Leuten wie Champion Jack Dupree, Lurry & Carey Bell, Katie Webster und sogar Chuck Berry. Doch am Ende dieser Dekade steht der Name „Danny Deutschmark“ letztendlich als falsches Etikett für falsche Musik. „Die achtziger Jahre waren voll daneben.“, sagt er. So wie damals das flache Land am Niederrhein, lässt Danny Dziuk nun „Danny Deutschmark“ hinter sich, zeitgleich mit der Trennung von einer Freundin – „ein ganz scharfer Schnitt“, wie er betont. Mit 35 fängt er neu an.
Happy End im LaLaLand
Frischer Wind kommt Anfang der 90er, als Danny Dziuk eine sehr junge Rock´n´ Roll-Band namens Pearls at Swine kennen lernt, mit ihnen nach New Yorck fliegt bzw. danach in den alten Berliner Hansastudios ein paar sehr einleuchtende Aufnahmen macht, die alles, was er bis dahin so fabriziert hat, über den Haufen wirft. Die erste eigene Platte (1990) ist noch im falschen Sound Ich, du, er ,sie, es – wenn auch schon unter dem richtigen Namen. „An wen hätte ich mich wenden sollen?“ Dann hat er das Glück, gleichzeitig Stoppok und Wiglaf Droste kennen zu lernen. Mit Stoppok spielt er unter anderem 1993 dessen erfolgreichstes Album Happy End im Lalaland ein. Bei fünf der Titel ist Danny als Co-Autor beteiligt, darunter das philosophisch melancholische „Wetterprophet“ und „Wie tief kann man sehn“, dazu das zupackend aggressive „Denk da lieber noch mal drüber nach“, in dem Rassisten und
nächtlichen Brandstiftern die Frage gestellt wird: „Warum zündest du nicht einfach mal dich selber an?“
Neben Stoppok steht Danny Dziuk auch mit anderen Künstlern auf der Bühne, Kabarettisten und Autoren von der taz-Satireseite, wie Hartmut El Kurdi, Dietrich zur Nennen, Fritz Eckenga und natürlich mit Wiglaf Droste, mit dem er einige Platten aufnimmt, unter anderem 1996 die CD Warum heißen plötzlich alle Oliver?. Benjamin von Stuckrad-Barre hatte Droste damals für das World-Label requiriert, das wie Motor-Music zu Universal gehört, Labelchef ist Tim Renner, ein „Blender vor dem Herrn“, laut Danny. Zu Universal gehört auch Rammstein, von Renner – ähnlich wie Blümchen – am Reißbrett entworfen und von Anfang an auf den Erfolg im Ausland hin konzipiert. „Das Klischee vom düsterdeutschen, heidnischen, blutsaufenden Übermenschen aus Walhalla wird dabei bedient. Auch so ein ‚Erfolgskonzept’.“ Richard Wagner übertragen auf die Rock- und Popmusik. Danny erwähnt Siegfried Jacobsohn, den Herausgeber der „Weltbühne“ und lebenslangen Mentor von Kurt Tucholsky, dem es geradezu eine Lebensaufgabe bedeutete, möglichst viele Leute davon zu überzeugen, daß Mozart richtig & Wagner zu bekämpfen sei. Anfang 2001 beenden Dziuk und Stoppok ihre überaus erfolgreiche gemeinsame Zusammenarbeit mit insgesamt acht CDs. „Nach zehn Jahren ‚Ehe’ wird man irgendwie spitzfindig und dann knallt es auch schon mal“ sagt er.
Von Schillers Räuber bis zum ARD-Tatort
Als Lutz Kerschowski von der letzten Rio Reiser Band Anfang 2000 Danny Dziuk über den Weg läuft, ist das der Beginn gemeinsamer Arbeiten an Filmmusiken, u. a. für Tatort, Stahlnetz und Polizeiruf 110. So entstehen seitdem etwa 15 Filmmusiken für den Regisseur Manfred Stelzer, der ansonsten Dziuks Musik kaum kennt. „Ich weiß nicht, was mich bisher davon abgehalten hat, ihm mal ne CD von mir in die Hand zu drücken.“, sagt Danny. Ein anderes „Bonbon“ in der Karriere des Wahl-Berliners war 2002 die Zusammenarbeit mit dem Jenaer Symphonieorchester. Für den Regisseur Alexander von Pfeil, der Schillers Räuber in Jena als Roadmovie inszenierte, schrieb er die Songs, wobei Dziuk sich von Nick Cave inspirieren ließ. Ein Jahr darauf gab es wiederum in Jena eine Session mit Dziuks Küche und den Neuen Frankfurtern Philharmonikern. Außerdem steuerte er 2004 zwei Pianotracks für ein Soloalbum von Lemmy Kilmister (Motörhead) bei und ging auf halbjährige US-Tour mit „Stockholm Syndrome“, einer Band mit Musikern wie Wally Ingram (Sheryl Crow, Taj Mahal, David Lindley), Dave Schools (Widespread Panic) oder Eric Mc Fadden (George Clinton).
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„Ich bin zu alt für’s Showgeschäft“
Neben all diesen Projekten arbeitet Danny Dziuk immer auch an eigenen Liedern, an einem persönlichen Stil. Mitte der neunziger Jahre „fand ich den Ton, den ich gesucht hatte, ohne mich anzustrengen. Und jetzt erst gründete ich meine Band, sehr, sehr spät. Bei all den Einflüssen, die man raushört – wie Bob Dylan, Randy Newman oder Warren Zevon z.B. – waren da Töne, die man nicht zuordnen konnte, das musste wohl was mit mir zu tun haben…“ In einer kleinen Kneipe namens Bluescafé hört er 1995 Moe Jaksch am Bass und Hans Rohe an der Gitarre und denkt sich: „Wenn ich je eine Band haben sollte, dann sind die das.“ Ein halbes Jahr läuft er ihnen hinterher mit seinen Demos, „Nein, ich mache keinen Deutschrock, das ist was anderes!“ Schließlich mündet das ganze in fünf hintereinander gebuchte Gigs im Berliner Flöz und trotz relativ geringer Zuschauerzahl beschließen sie die Gründung einer Band. Vierter im Bund ist Dziuks Bruder Kulle am Schlagzeug. Sie einigen sich auf den Namen Dziuks Küche. Die erste CD Vom Tisch erhält 1999 großes Lob von der Presse („Man hört, wie es gemacht wurde, und es wurde gut gemacht.“ Rolling Stone). Mit der nächsten CD Hauptsache Wind kommt der Liederpreis des SWR (2002) sowie der Deutsche Kleinkunstpreis der Stadt Mainz (2004). Gebet und Revolver von 2005 wird mit dem Preis der Deutschen Schallplattenkritik ausgezeichnet. 2006 lernt Dziuk über Stoppok dessen Nachbarn, Freund und Bassisten Georg Spindler und den Mandolinisten Köpf aus dem Würmtal im Südwesten Münchens kennen. In Stoppoks Wohnzimmer nehmen sie als Dziuks Südbalkon den Titel „Ja,ja, des iss ja des!“ auf – der als Bonustrack auf Live im Quasimodo (2007) veröffentlicht wird und es auf Platz 1 der Liederbestenliste schafft.
Zurzeit arbeitet er an der Vertonung einiger Gedichte von Peter Hacks, & mittlerweile hat er auch die Hälfte seiner Küche neu besetzt: mit Max Schwarzlose am Schlagzeug & Thomas Baumgarte am Bass („… die beste Band, die ich bisher hatte!“). Auch mit Stefan Stoppok sind wieder ein paar Projekte geplant. Überhaupt darf man gespannt sein, was Danny Dziuk als nächstes in seiner Küche zaubert. Hoffentlich kommen noch eine ganze Reihe so wunderschöner Liedperlen wie „Wenn zwei zueinander passen“ dabei zum Vorschein oder Sätze wie diese aus „Lustiger Quatsch“, das er bei der Verleihung des Deutschen Kleinkunstpreises dem Mainzer Bildungsbürgerpublikum unter die Nase rieb: „In letzter Zeit sind hier alle so witzig / ich glaub, ich lach mich gleich tot / an jeder Ecke `n Hampelmann / der sagt, komm wir spielen Idiot…./ schmier dir Haribo in die Haare / mach Wind, solang`s noch geht / und sei dir für absolut nichts zu schade / nenn es Flexibilität / und dann nimm deinen lustigen Quatsch und steck in dir in den A……
- www.dziuks-kueche.de
Auswahldiscographie:
- Danny Dziuk: KairoMond (BMG/Chlodwig Musik, 1996)
- Dziuks Küche: Vom Tisch (Boulevard-Musik, 1999)
- Dziuks Küche: Hauptsache Wind (Ulftone, 2001)
- Dziuks Küche: Gebet & Revolver (Buschfunk, 2005)
- Dziuks Küche: Live im Quasimodo (Buschfunk, 2007)
Erschienen in: Folker! 07/2007 , von Michael Zachcial
„Da, wo ich herkomm, dieses sehr flache Land…“
Danny Dziuk – Musiker und Liedpoet aus Berlin